Redebeitrag: In Gedenken an Blanka Zmigrod
- vjsh
- 23. Feb. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Am 22. Februar 2024 fand eine Gedenkkundgebung anlässlich der Ermordung der Frankfurterin und Shoa-Überlebenden Blanka Zmigrod statt. Im Folgenden dokumentieren wir unseren dort verlesenen Redebeitrag.

Wofür Gedenken?
Vergangenes Wochenende haben wir erst der Opfer des Terroranschlags in Hanau gedacht. Heute stehen wir hier. In dieser sehr von Terror und Gedenken geprägten Woche möchte ich mir das zum Anlass nehmen, noch ein paar Worte zum Gedenken und unserer Erinnerungskultur zu sagen.
Nach den furchtbaren rechtsterroristischen Anschlägen der letzten Jahre - in Hanau, und ebenso in Halle - hat es sich immer stärker etabliert, dass wir sagen: Say their names! – ganz im Kontrast dazu, immer über nur die Täter zu reden und ihnen alle Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, machen wir es inzwischen anders. Say their names! Denn die Namen der Opfer und die Erinnerung an sie erhalten, heißt auch, sie selbst und das Vermächtnis ihres Lebens am Leben erhalten.
Ferhat Unvar schrieb 2015 auf Facebook “Tot sind wir erst, wenn man uns vergisst”. Jeder Mensch hat einen Namen, Lechol ish yesh shem.
In knapp einem Monat am jüdischen Feiertag Purim werden wir das ebenfalls wieder zelebrieren. Der Name des Täters, der nach dem Leben anderer trachtet, der die Ermordung aller Juden im Persischen Königreich plant, wird bei der Lesung der Megillat Esther (des Buches Esther) durch Lärm übertönt, um die Erinnerung an ihn zu tilgen.
Nicht jedoch die Namen der Überlebenden, die wir umso deutlicher nennen. Wir nennen sie an Jahrestagen, wir nennen sie, wenn wir über das Geschehene sprechen, hier und heute. Seit zwei Jahren erinnert zusätzlich diese Plakette an Blanka Zmigrod und an ihr Leben – eine ständige Erinnerung, die allerdings lange erkämpft werden musste.
Wieso heute?
Nun wurden wir als Organisatoren dieser Kundgebung ebenfalls gefragt, wieso unsere Wahl ausgerechnet auf diesen Anlass gefallen ist, und nicht andere Gedenkanlässe wie etwa den 27. Januar oder dem 9. November. Und sicherlich sind dies auch Gedanken, die wir an diesen offiziellen Gedenktagen haben, wie zuletzt am 27.01., dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz.
Diese Tage haben fraglos ihre Wichtigkeit und ihren Platz. Aber als bundesdeutsches Großgedenken verkommen sie gerne auch zum Ritual, im Zuge dessen das “Nie wieder ist jetzt” abstrakt immer die Bedeutung annehmen kann, die man sich gerade herbeiwünscht. Etwas, das abstrakt, weit weg / lange her ist, lässt sich auch leicht wieder vergessen.
Terror ist aber nicht abstrakt, sondern konkret.
Terror passiert nicht nur im Fernsehen. Terror passiert nicht nur anderen, die weit weg sind (auf einem anderen Kontinent, oder im Nationalsozialismus).
Terror passiert in der Straße, an der wir jeden Tag vorbeilaufen. In der Stadt, in der wir leben. Vielleicht sogar in unserer Arbeitsstätte. (Damit müssen wir uns auseinandersetzen.)
Und Erinnern und Gedenken passiert nicht nur in Festsälen, in öffentlichen Ansprachen. Erinnern passiert nicht nur an bestimmten Tagen im Jahr. Manche von uns – Betroffene – brauchen keinen Extra-Tag im Jahr “gegen das Vergessen”, weil sie nicht vergessen können, was passiert ist, weil sie die Erinnerungen jeden Tag ihres Lebens mit sich tragen.
Und genau das zeigt uns auch der heutige Anlass unseres Gedenkens, Blanka Zmigrod, und diese Plakette. Es ist genau hier an dieser Straßenecke passiert.
Wieso jetzt?
Und dennoch zeigt unser Erinnern uns AUCH jedes Mal aufs neue – Überleben ist möglich, trotz Grauen, Terror, Shoah. (Um es in Blanka Zmigrods Worten zu sagen: Es ist möglich, trotzdem zu “überleben und so gut und so lange wie möglich zu leben.“)
Dafür werden wir die Namen unserer Verstorbenen weiter sagen (gerade jetzt). Die Namen derjenigen, denen ihre Freiheit genommen worden ist und auch ihr Leben. Weil es uns die Kraft geben wird, immer weiter die Ungerechtigkeit anzuprangern, die uns entgegenschlägt (die Gleichgültigkeit gegenüber Terror, gegenüber dem Schmerz von Angehörigen, gegenüber dem Hass und der Gewalt). Weil es uns die Kraft geben wird, für eine gerechtere Welt zu kämpfen, eine Welt ohne Rassismus, ohne Antisemitismus, ohne Ausbeutung, in der alle ohne Angst und in Frieden leben können – so gut und so lange wie möglich.