
Frankfurt am Main, den 31. Januar 2025
Solidarität mit unseren Allies in der studentischen Selbstverwaltung!
Den Kampf gegen Antisemitismus an Hochschulen nicht von Rechtspopulisten vereinnahmen lassen!
Brandmauer aufrechterhalten!
Stellungnahme des Verbandes Jüdischer Studierender in Hessen (VJSH) zu einer Anfrage an die Landesregierung seitens der AfD-Landtagsabgeordneten vom 21. Januar 2025
Was ist passiert?
In einer Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2025 werfen drei AfD-Landtagsabgeordnete den hessischen Allgemeinen Studierendenausschüssen (AStAs) pauschal eine “Solidarisierung mit linken bis linksextremen Gruppierungen” vor. Zudem würden die AStAs ihren Auftrag der “Förderung der politischen Bildung und des staatsbürgerlichen Verantwortungsbewusstseins" nicht nachkommen. Basierend auf diesen Anschuldigungen werden Fragen an die Landesregierung gestellt, so werden in der Kleinen Anfrage detaillierte Beschreibungen von Veranstaltungen und Mittelverwendungen gefordert. Zudem zitieren die AfD-Landtagsabgeordneten aus einem öffentlichen Schreiben des VJSH vom 21. Juni 2024, um ihre Argumentationsgrundlage zu bestärken. In unserem Schreiben ging es um antisemitische Vorfälle an der Hochschule Fulda.
Wir distanzieren uns !
Der Vorstand des VJSH distanziert sich ausdrücklich von dem Brief der AfD-Landtagsabgeordneten sowie von deren Verfassern. Wir wurden zu keinem Zeitpunkt kontaktiert oder um unsere Einschätzung gebeten; vielmehr haben wir erst von Mitgliedern unterschiedlicher hessischer AStAs von dieser Kleinen Anfrage heute erfahren. Sie verfolgt aus unserer Sicht klar das Ziel, studentische Gremien einzuschüchtern, hochschulpolitische Prozesse zu diskreditieren und Antisemitismus an Hochschulen als Thema zu vereinnahmen.
Unsere Positionen sind eindeutig:
1. Die Hochschulautonomie ist unantastbar.
Dazu zählen selbstverständlich auch die studentisch-autonomen Gremien. AStAs und Studierendenparlamente (StuPas) sind demokratisch gewählte Vertretungen der Studierenden, und wer deren Kurs verändern möchte, muss sich, sofern passiv oder aktiv wahlberechtigt, den demokratischen Wahlen und damit der studentischen Willensbildung stellen. Einschüchterungsversuche über die Kleine Anfrage sind reine Stimmungsmache – erst recht, wenn sie aus einer Ecke kommen, die Holocaust-Relativierung und antisemitische Aussagen in den eigenen Reihen duldet.
2. Der VJSH steht hinter den studentisch-autonomen Gremien und Hochschulgruppen, die uns tatkräftig beim Kampf gegen Antisemitismus unterstützen.
Wir haben bei unserem Statement zum antisemitischen Vorfall in Fulda sowohl von Grünen Hochschulgruppen, den Jusos-HSG, dem RCDS als auch von der Liberalen Hochschulgruppe Rückhalt bekommen. Das zeigt, dass das Thema Antisemitismus überparteilich - von links bis konservativ - ernstgenommen wird.
Darüber hinaus gibt es viele AStAs sowie politische Hochschulgruppen in StuPas, mit denen wir eng zum Thema Antisemitismus zusammenarbeiten und die oft Eigeninitiative im Kampf gegen Antisemitismus ergreifen.
Als Beispiel hierfür dient die langjährige Zusammenarbeit mit dem AStA der Goethe Universität Frankfurt am Main, der uns bei gemeinsamen Projekten zu israelbezogenem Antisemitismus unterstützte und sich aus Eigeninitiative ganz klar gegen den Antisemitismus am „pro-palästinensischen“ Protestcamp positionierte. Hinzu kommen der RCDS Kassel, die „Linke Liste: F.I.S.H.“ in Darmstadt, der AStA der UAS Frankfurt am Main und viele andere.
3. Die AfD sollte zunächst vor der eigenen Tür kehren
Wir kritisierten in unserem Schreiben vom 24. Juni 2024 insbesondere den Holocaust-Revisionismus der „Students for Palestine“.
Genau diese Tendenzen finden sich jedoch auch in der AfD selbst: So zählen Aussagen von Björn Höcke („erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“, verurteilt wegen der Verwendung einer NS-Parole), Maximilian Krah („Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trägt, automatisch ein Verbrecher ist.“) als prominente Beispiele, die regelmäßig Geschichtsrevisionismus seitens ranghoher AfD-Funktionäre zeigen.
Solange ein großer Teil der AfD-Mitglieder nicht einmal bereit sind, sich unmissverständlich zur historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels zu bekennen, ist jede Inszenierung als „Anwalt gegen Antisemitismus“ scheinheilig. Ein Beispiel dafür ist die schamlose Provokation gegen Michel Friedman im hessischen Landtag durch den AfD-Landtagsabgeordneten Johannes Marxen während einer Gedenkzeremonie für Oscar Schindler am 9. Oktober 2024, bei der exemplarisch erkennbar wird, welchen Stellenwert jüdisches Leben und jüdische Belange in der AfD wirklich haben.
Zu diesem Vorfall hat sich der VJSH öffentlich geäußert - ernsthafte Konsequenzen hatte der Abgeordnete aber von der eigenen, in weiten Teilen gesichert rechtsextremen Partei nicht zu befürchten.
4. Antisemitismus an Hochschulen ist ein reales Problem – doch er darf nicht von Rechtsextremen vereinnahmt werden.
Wir prangern den Anstieg antisemitischer Vorfälle als Betroffene kontinuierlich an und arbeiten eng mit verschiedenen Gremien zusammen, so auch mit der Hochschulleitung in Fulda sowie dem Hessischen Wissenschaftsministerium.
Dass die AfD versucht, dieses Thema zu instrumentalisieren, ist nicht nur perfide, sondern konterkariert jede ernstgemeinte Initiative gegen Judenhass.
Zum Abschluss:
Wir bedanken uns ausdrücklich bei unseren Verbündeten an den Hochschulen, in den AStAs und StuPas, die uns seit vielen Jahren und insbesondere seit dem 7. Oktober 2023 unterstützen und eine klare Haltung zeigen.
Wir rufen die Landesregierung und die demokratischen Fraktionen auf, den AfD-Einflussversuchen in der Hochschulpolitik entschlossen entgegenzutreten, die Brandmauer aufrechtzuerhalten und sich zu klaren Grundprinzipien zu bekennen:
Für Hochschulautonomie, gegen Rechtsextremismus und gegen jeden Antisemitismus.
Dieses Schreiben leiten wir an sämtliche AStAs hessischer Hochschulen weiter, als Zeichen der Solidarität und als erneute Einladung zur Zusammenarbeit im Kampf gegen Antisemitismus und für die Wissenschaftsfreiheit.
Vorstand des Verbandes Jüdischer Studierender Hessen