vjsh
Wahlprüfsteine zur JSUD-Wahl 2023

Am 14.05.2023 findet erneut die JSUD-Vollversammlung mit Wahl der Präsidentin und des neuen Vorstandes statt. Wir als regionaler Verband wollten die insgesamt sechs Kandidat:innen, ihre Ziele und Positionen gerne näher kennenlernen und haben daher eine Liste aus sechs Fragen aka. Wahlprüfsteinen zusammengestellt, die uns besonders brennend interessierten. Euch auch? Dann könnt auch ihr alle Antworten in Ihrer Vollständigkeit nachlesen.
Angeschrieben wurden Hanna Veiler, Noam Petri, Jacob Horowitz, Deborah Kogan, Esti Rubens und Lisa Michajlova. Alle Angeschriebenen haben uns ihre Antworten zugesandt, wobei Noam, Jacob und Deborah die Fragen gemeinsam als Team Atidejnu beantworteten.
Untenstehend listen wir die Antworten nach folgender Reihenfolge auf: Zuerst die Antworten der Präsidentschaftskandidatin, Hanna, und danach in alphabetischer Reihenfolge des ersten Buchstabens.
Um die Antworten aller Kandidat:innen auf eine Frage aufzuklappen, klicke auf das Zeichen ">" links neben der Frage.
Viel Spaß beim Lesen!
Frage 1: Mit der Policy „Sicherstellung und Ausweitung der Zusammenarbeit zwischen der JSUD und regionalen Verbänden“ gab sich die JSUD selbst zum Ziel, regionale Verbände aktiver in die Planung mit einzubeziehen und dabei insbesondere auf regionale Gegebenheiten Rücksicht zu nehmen. Wie wirst du konkret die Zusammenarbeit und Unterstützung der regionalen Verbände als JSUD-Vorstand ausbauen und weiterentwickeln, aber auch ihre Eigenständigkeit bewahren?
Hanna Veiler: Die JSUD und die jüdischen Regionalverbände sollten weiterhin am Ausbau ihrer natürlichen Partnerschaft arbeiten. Aus Sicht der JSUD bedeutet dies, einerseits Räume zu schaffen, in denen regionale Vertreter:innen miteinander und mit der JSUD ins Gespräch kommen können. Dabei hat der aktuelle Vorstand der JSUD bereits den ersten Schritt gemacht, indem er regelmäßige Stammtische zwischen JSUD und Regios etablierte. Der nächste Schritt ist nun, die offizielle Einberufung des Regionalausschusses, die im nächsten halben Jahr erfolgen muss. Andererseits bedeutet dies für mich, den ständigen persönlichen Kontakt zu den Regionalverbänden aufrecht zu halten. Ich hoffe, dass alle Regionalvertreter:innen wissen, dass sie sich jederzeit bei mir melden können. Ausgehend von regionalen Belangen, kann die JSUD die Regionalverbände ihren Bedürfnissen entsprechend unterstützen und Ressourcen (zum Beispiel in Form von Reichweite und Kontakten) zur Verfügung stellen. Darüber hinaus habe ich es mir zum Ziel gemacht, mehr Veranstaltungen in die Region zu verlegen und dabei Kooperationen mit den Regionalverbänden anzustreben (Z.B. Hatchala Seminar in Hannover mit dem VJSNord oder das Dein Seminar in München mit dem VJSB). Aktuell plane ich ein Seminar für Regionalvorstände, bei dem der Regionalausschuss offiziell ausgerufen werden kann und das Rahmenprogramm Möglichkeiten zur Fortbildung (z.B. wie schreibt man einen Grant) bereitstellt.
Team Atidejnu: Die Zusammenarbeit zwischen der JSUD und der regionalen Verbände sowie ihre Eigenständigkeit sind ein sehr großes Anliegen. Wir möchten gemeinsam mit den regionalen Verbänden eine neue Tradition schaffen: „Der JSUD-Shabbaton“. Jedes Jahr soll ein Shabbaton in Kooperation mit einem wechselnden Regionalverband stattfinden. Diese Tradition soll einen effektiven Regionalaustausch fördern, die Zusammenarbeit zwischen der JSUD und den regionalen Verbänden stärken und dem jeweiligen Regionalverband unterstützen.
Die Regionalverbände sollen Möglichkeit erhalten, ihre verschiedenen Skills und ihre Erfahrungen mit einem deutschlandweiten Publikum in einem Workshop zu teilen.So können Interessierte durch den Austausch mit den Regionalverbänden als neue Aktive in den Regionen gewonnen. Denn die JSUD ist nichts ohne seine Regionalverbände.
Esti Rubins: Ich glaube, Kooperationen sind effektiv, um eine gute und nachhaltige Beziehung zwischen der JSUD und den regionalen Verbänden zu erhalten. Die JSUD veranstaltet gelegentlich Seminare, die in verschiedenen Städten stattfinden. Seminare dienen hierbei auch nur als Beispiel für ein Format, welches in Kooperation stattfinden könnte. Ich habe nämlich vor, mehrere Seminarreihen zu organisieren, unter anderem zum Thema Female Empowerment (ich habe ein konkretes Konzept dazu ausgearbeitet, welches ihr in meinem Programm findet). Je nachdem, in welche Stadt man fährt, finde ich es mehr als angemessen, das jeweilige Seminar immer mit dem regionalen Studierendenverband zu organisieren. So sind die Vorstände der Regionalverbände sowie auch die regionalen Teilnehmer und Teilnehmerinnen in die Planung und Ausführung eines Seminars mit einbezogen und können ihre eigenen Bedürfnisse einbringen. Die regionalen Verbände müssen ihre Eigenständigkeit behalten und gleichzeitig mit uns in den Austausch treten können. Die Atmosphäre um solche gemeinsamen Formate herum muss angenehm, freundschaftlich und empathisch sein.
Lisa Michajlova: Die JSUD soll im ständigen Austausch mit den Regionalverbänden stehen und bspw. durch regelmäßigen Wochenenden gemeinsam Projekte planen und durchführen. Jegliche Kooperation ist stets ein Angebot und keine Verpflichtung, denn die regionalen Verbände verwalten und definieren sich stets selbst. Die JSUD verfügt über einige finanzielle und strukturelle Ressourcen, die mit den regionalen Verbänden geteilt werden sollen. Die Regionalverbände verfügen über die lokale Expertise und die Aktiven, die sich meistens regional und national engagieren. Im ständigen Austausch kann der JSUD Vorstand demnach als helfende Hand und Initiator vieler Projekte fungieren und dabei stets die Aktiven einbinden und nach ihren Interessen handeln.
Frage 2: Die JSUD wird als eine wichtige Interessensvertretung junger jüdischer Erwachsener in Deutschland wahrgenommen, jedoch ist - gemessen an der Gesamtzahl der JSUD-Zielgruppe - nur eine Minderheit an der Herausbildung öffentlicher Positionen, Aktivitäten und Wahlen beteiligt. Wie wirst du dazu beitragen, die basisdemokratische Legitimation und Partizipation in der JSUD zu gewährleisten?
Hanna Veiler: Für mich stellt die JSUD einen Verhandlungsraum dar, in dem verschiedene Positionen respektvoll miteinander in den Diskurs gehen können. Leider haben Vorstände in der Vergangenheit große Teile der Arbeit aus Zeitgründen selbst übernommen, statt mehr Menschen einzubeziehen. Ich sehe vor allem vier Aspekte, die der nächste Vorstand verbessern muss:
a) Ausbau des Angebots: Es muss mehr Angebot für diverse Zielgruppen geschaffen werden (Jugendliche von 16-20, Young Professionals, Azubis etc.). Dieses Angebot darf nicht nur politischer Natur sein, sondern muss auch Freizeitaktivitäten und Identitätsstiftende Events beinhalten.
b) Ausbau der JSUD Strukturen: Wir müssen mehr hauptamtliche Stellen schaffen, die die Arbeit und Planungssicherheit des Vorstandes erleichtern und somit möglich machen, dass der Vorstand mehr Kapazitäten hat, um mit Menschen in Kontakt zu sein und die Zugänglichkeit der JSUD zu garantieren.
c) Streitformate: Ich möchte einen Podcast ins Leben rufen, bei dem verschiedene jüdische Positionen ins Gespräch kommen und über aktuelle Themen, die Jüdinnen:Juden betreffen, diskutieren können. Auf diesem Wege können wir mehr Repräsentation verschiedener Positionen erlangen.
d) Transparenz und Zugänglichkeit: Der Vorstand muss eine Instanz sein, die nah an den Menschen, die er repräsentiert, ist. Das bedeutet, sich Zeit zu nehmen, zuhören und interne Prozesse transparenter gestalten.
Team Atidejnu: Wir sind uns dem Problem bewusst, dass nur eine Minderheit an der Herausbildung öffentlicher Positionen, Aktivitäten und Wahlen beteiligt ist. Daher wollen wir z. B. einen juristischen Beirat aus Aktiven gründen, der den Vorstand beraten soll. Zudem soll ein regelmäßiger Austausch zwischen Aktiven und dem Vorstand in Form von Feedback-Bögen und Newslettern geben. Des Weiteren sollen wichtige Kampagnen nicht von der JSUD alleine organisiert werden, sondern mit den Regionalverbänden zusammen erarbeitet werden.
Darüber hinaus sehen wir die Notwendigkeit gemeinsam mit unseren Aktiven auf andere Organisationen zuzugehen und potenzielle Aktive, welche zu diesem Zeitpunkt unter 18 sein können, die JSUD näherzubringen. Durch anhaltende und langfristige Kooperationen sollen die nächsten Generationen für die JSUD aktiviert werden.
Esti Rubins: Als Vorstand sollten wir Aufgaben abgeben können an aktive und interessierte Personen, denn die JSUD besteht nicht nur aus ihrem Vorstand. Ich glaube aber auch, dass diese Frage mit der Frage 6 stark zusammenhängt. Wenn gewisse Gruppen innerhalb unserer jüdischen Community (orthodoxe, liberale, sephardische, queere Personen etc.) sich nicht repräsentiert und/oder bei uns wohlfühlen, werden sie sich auch nicht bei uns engagieren. Ich hoffe, wie ich schon bei der Frage 6 erwähnt habe, dass die Kashrut Policy ein erster Schritt in die richtige Richtung war, um orthodoxen Juden und Jüdinnen die Beteiligung bei uns näherzubringen. Weiter bleibt aber, die weiteren Gruppierungen bei uns zu integrieren und uns ihrer Bedürfnisse bewusster zu werden.
Lisa Michajlova: In meinen Augen ereignet sich das jüdische Leben für die meisten nur selten auf politischen Panels, Vollversammlungen oder Interviews. Die meiste Partizipation haben wir in lokalen Gemeinden, Verbänden, Universitäten und beim familiären Shabbes Dinner. Daher ist die Förderung der Demokratie für mich stets mit einer Stärkung der lokalen Strukturen und Erreichbarkeiten verbunden sowie jede Gruppierung innerhalb der rund 25.000 jüdischen Personen, die wir vertreten, zu beachten. Um eine höhere Beteiligung an Wahlen zu erreichen, setze ich mich für die Überarbeitung der Wahlordnung ein. Ich sammelte viel Feedback im aktuellen Wahlkampf und möchte es jungen jüdischen Erwachsenen ermöglichen, ihrer Stimme in einer transparenten, strukturierteren Wahl mit besseren Verfahren abzugeben.
Frage 3: Welche Rolle sollten der Staat Israel und der Zionismus in der JSUD-Arbeit aus deiner Sicht einnehmen, und wie möchtest du damit umgehen?
Hanna Veiler: Für mich steht fest: Jüdinnen:Juden in Deutschland sind nicht die Botschafter:innen des Staates Israels. Dennoch hat Israel einen zentralen Platz in jüdischer Identität und jegliche Geschehnisse in Israel haben Auswirkungen auf die Diaspora. In der JSUD haben antizionistische und radikale Positionen daher keinen Platz. Das bedeutet aber nicht, dass es keinen Platz für Diskurs geben darf. Bei diesem Diskurs sind mir vor allem zwei Dinge wichtig:
a) Jüdinnen:Juden in Deutschland müssen zu Israel sprechfähig sein, da dieses Thema ihren Alltag und ihr Leben betrifft. Aufgabe der JSUD ist es, einen Rahmen zu schaffen, in dem junge Jüdinnen:Juden einerseits Wissen erlangen können, das ihnen im Alltag und Debatten hilft. Andererseits muss die JSUD den Raum schaffen, in dem junge Jüdinnen:Juden sich auf dem Wissen basierend eine Meinung zu aktuellen Diskursen bilden können. Deswegen möchte ich weiterhin Seminare zur Geschichte, Politik und Gesellschaft Israels anbieten, in denen auch der Raum zur Diskussion offen bleibt.
b) Förderung des Diskurses zwischen Jüdinnen:Juden in Deutschland und Israelis: Als Jüdinnen:Juden, die in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert sind, haben wir einen anderen Blick auf Israel als jemand, der dort aufgewachsen ist und lebt. Während wir den Alltag vor Ort nicht so begreifen können, wie jemand, der täglicher Terrorgefahr ausgesetzt ist, können Israelis den Antisemitismus in Europa nicht so verstehen, wie wir es tun. Deshalb brauchen wir mehr solcher Austauschformate, um Israel und die Diaspora gerade in diesen Zeiten näher zu bringen.
Team Atidejnu: Israel und der Zionismus sind fundamentale Bestandteile der jüdischen Geschichte, Kultur und der Identität. Die Solidarität mit Israel und der Kampf gegen israelbezogenen Antisemitismus sind wesentliche Grundsätze der JSUD und sollen dies auch bleiben. Die wachsende Akzeptanz von antisemitischen Chiffren, welche besonders beim israelbezogenen Antisemitismus vorkommen (siehe Roger Waters), gilt es als JSUD gemeinsam mit Allies effektiv zu bekämpfen.
In Zukunft möchten wir eine stärkere Beteiligung der JSUD an der Deutsch-israelischen Studierendenkonferenz, um den Austausch und die Kooperationen zu fördern. Der Kontakt zur National Union of Israeli Students besteht und soll weiter ausgebaut werden. Mit der besorgniserregenden Situation in Israel möchten wir einen Raum in der JSUD schaffen, in welchem ein offen und ehrlicher Austausch über die aktuelle Situation in Israel möglich ist.
Esti Rubins: Israel Advocacy liegt mir persönlich sehr am Herzen. Ich finde aber auch, dass Israel Advocacy ohne einen Bezug zu Israel, israelischen Institutionen und Organisationen nur bedingt einen positiven Einfluss haben kann. Es gilt dabei nämlich zu beachten, dass Israelis Erfahrungen aus erster Hand haben, die wir hier nicht ersetzen können. Ich selber als gebürtige Israeli finde es erschreckend, wie oft hier aus einer deutschen Perspektive heraus gesprochen und gehandelt wird, ohne zu verstehen, dass die israelische Gesellschaft eine ganz andere ist als die deutsche. Eine israelische Perspektive in unserer Israel Advocacy ist ausschlaggebend. Deshalb spreche ich in meinem Programm auch von “Israel-Kooperation”. Ihr könnt gerne einen Blick auf mein Programm werfen, wo ich dieses Thema ausführe und auch Beispiele für solche Institutionen und Organisationen erwähne, zu denen ich einen persönlichen Draht habe.
Lisa Michajlova: Zunächst finde ich sollten wir stets zwischen persönlicher Meinung und Haltung, die als JSUD Vorstand in die Öffentlichkeit getragen wird, differenzieren. Die JSUD sollte die klare Haltung einnehmen, das Existenzrecht Israels ist umstreitbar und auch für Jüd:innen in Deutschland relevant. Die konkrete Innenpolitik Israels zu kommentieren sehe ich nicht als Hauptfokus der JSUD-Arbeit. In jedem Fall hat diese jedoch konkrete Auswirkungen für Jüd:innen in Deutschland. Mit jenen Herausforderungen in Form von Antisemitismus und deutscher Innenpolitik sollte sich die JSUD als politische Stimme in Vertretung junger jüdischer Personen auseinandersetzen.
Frage 4: Wie planst du als Vorstandsmitglied zu einer stärkeren finanziellen Transparenz der JSUD beizutragen?
Hanna Veiler: Die JSUD ist verpflichtet, bei ihrer jährlichen Vollversammlung einen ausführlichen Finanzbericht vorzulegen, der auch durch die Buchhaltung des Zentralrats geprüft wird. Alle Anwesenden haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen. In Zukunft muss die JSUD sich vermehrt um Gelder bemühen, da das jährliche Budget, das vom Zentralrat an die JSUD gegeben wird, nicht ausreicht, wie uns das vergangene Jahr gezeigt hat.
Wenn Personen, die der Zielgruppe der JSUD angehören, Veranstaltungen im Rahmen der JSUD durchführen wollen, die Drittmittel erfordern, sind ich und die Geschäftsführung der JSUD mit Zusage des Vorstandes gerne dazu bereit, sich um Gelder zu kümmern.
Team Atidejnu: Die Satzung gibt vor, dass an jeder Vollversammlung ein Bericht des Schatzmeisters notwendig ist. Wir möchten vor jeder Vollversammlung eine Finanzübersicht an alle Teilnehmer versenden, damit diese sich bei Unklarheiten für Fragen vorbereiten können.
Esti Rubins: Eine Idee wäre, eine Arbeitsgruppe zu haben, die für eine Art "Qualitätsmanagement" zuständig ist. Diese Gruppe kann in regelmäßigen Abständen Check-ups durchführen, in denen sie schaut, wie viel von den finanziellen Mitteln für was ausgegeben wurde, ob es dem Plan entspricht, Empfehlungen geben etc. und das entsprechend nach außen hin tragen.
Lisa Michajlova: Um finanzielle Transparenz zu stärken, sind die Finanzberichte weiterhin öffentlich zugänglich bei der Vollversammlung. Darüber hinaus setze ich mich für eine Finanzsprechstunde bei der JSUD ein, gerne auch in Kooperation mit dem Geschäftsführer der JSUD. Aktive sollen einen Einblick in die finanzielle Arbeit des Vorstandes bekommen und beispielsweise dadurch auch selbst erlernen, Projektanträge zu schreiben. Viele Aktive in der JSUD sind bereits mit dem Thema Finanzen und Unternehmen vertraut und auf ihre Expertise durch Zusammenarbeit erhält die JSUD eine stärkere Transparenz durch aktive Gestaltung seitens der Aktiven.
Frage 5: Der Skandal um Walter Homolkas Machtmissbrauch hat die jüdische Gemeinschaft in Deutschland erschüttert und insbesondere das liberale Judentum geschwächt und gespalten. Wie planst du in deiner Arbeit, Ämterhäufung, Machtmissbrauch sowie unethisches Handeln/Fehlverhalten strukturell zu verhindern?
Hanna Veiler: Leider ist auch die jüdische Gemeinschaft von patriarchalen Strukturen und Ausschlussmechanismen nicht verschont. Aufgabe der JSUD muss stets auch sein, auf innercommunity Missstände hinzuweisen und sich gegen diese zu währen. Dabei kann die JSUD nicht nur ihre Kontakte zu jüdischen Institutionen nutzen, sondern auch proaktiv Räume öffnen, in denen solche Missstände besprechbar gemacht werden. Wenn das Gespräch aber nicht mehr hilft, ist es Aufgabe der JSUD, Widerstand gegen Ungerechtigkeit – egal ob diese von außen kommt oder innerhalb der Community stattfindet – zu leisten.
Was darüber hinaus besonders wichtig ist, ist dass die JSUD für Betroffene dieser Gewaltformen ansprechbar ist und sie gegebenenfalls an professionelle Stellen weiterleiten kann. Dies möchte ich als JSUD Präsidentin garantieren.
Team Atidejnu: Wir sind über den jahrelangen Machtmissbrauch schockiert und stehen in voller Solidarität mit den Opfern. Der Vorstand der JSUD muss offen für Opfer von Machtmissbrauch sein und seine ganze Energie verwenden, um diesem unethischen Handeln ein Ende zu setzen. Dementsprechend wird der Vorstand auf Organisationen zugehen, wenn es dort zum Machtmissbrauch gekommen ist und sich für die Opfer stark machen.
Esti Rubins: In den Policies der JSUD (2.5 unter Punkt 5) wird von der Erarbeitung einer JSUD-eigenen Richtlinie gesprochen, die vor sexueller Diskreminierung, Gewalt und Belästigung schützen soll. Diese Richtlinie und weitere Maßnahmen wie z.B. im Vorhinein definierte Ansprechpartner im Falle, dass sich auf unseren Veranstaltungen Vorfälle ereignen sollten etc. sollen von der schon existierenden “Awareness Konzept AG” erarbeitet werden. Diese AG hat großes Potenzial und ich würde gerne dazu beitragen, dass sie dieses erfüllt.
Lisa Michajlova: Ich setze mich für organisierte, konkrete Aufgabenverteilung innerhalb des Vorstandes und weiteren jüdischen Strukturen ein. Dadurch schaffen wir eine Transparenz und ein sortiertes Verständnis von Eigenverantwortung. Die JSUD soll vertreten, ohne zu bevormunden und daher ist es stets wichtig als Organisation, abzugrenzen, für wen man spricht und für wen man auch sprechen darf. Um eine fairere Wahl zu ermöglichen schlage ich konkretere Wahlregeln und bessere Vorbereitung auf den Wahlkampf vor, sodass eine faire Repräsentation ohne Machtmissbrauch gewährleistet werden kann. Außerdem soll es in Zukunft einfacher werden (durch z.B. diverse technische Tools auf der Website), Feedback, Kritik und Verbesserungen direkt und anonym an den JSUD Vorstand zu kommunizieren.
Frage 6: Jüdisches Leben in Deutschland ist in vielerlei Hinsicht divers: Ob hinsichtlich ihrer Herkunft (z.B. mizrachische/sephardische Jüd:innen), der Religiosität (säkulare oder haredische Jüd:innen), oder anderer Aspekte (wie z.B. queere oder patrilineare Jüd:innen). Wie möchtest du diese innerjüdische Diversität sichtbarer machen und diesen Jüd:innen eine Plattform bieten?
Hanna Veiler: Betroffene von innerjüdischen Ausschlussmechanismen müssen gehört werden. Dies kann auf unterschiedlichen Wegen geschehen. Zum einen möchte ich noch Kooperationen bspw. mit Keshet ins Leben rufen, um queeren Jüdinnen:Juden mehr Raum in der JSUD zu geben. Wenn es um Religiosität geht, möchte ich mit diversen jüdischen Gemeinden und Organisationen kooperieren, damit alle Denominationen sich vertreten sehen.
Leider kann ich in dieser Kürze nicht auf alle einzelnen Punkte eingehen, da jede dieser Ausschlussformen eine Seite für sich füllen würde. Was ich sagen kann, ist dass die JSUD an einem Awareness Konzept arbeitet und weiterarbeiten wird, um eine inklusivere JSUD zu garantieren. Das Konzept wird die Situation analysieren und konkrete Handlungsanweisungen an den Vorstand liefern.
Team Atidejnu: „Das“ jüdische Leben in Deutschland gibt es nicht. Es ist divers und besonders auf Podien (siehe JuKo Abschlusspanel „Wem gehört die Zukunft?“) zu sehen. Aus diesem Grund sollte die JSUD nicht nur ein Platz für alle sein, sondern auch Programm für alle anbieten.
Daher wollen wir ein neues Format etablieren: Das JSUD-Ressort „2gleich3“.
Nach dem Motto „zwei Juden, drei Meinungen“ möchten wir ein monatliches Format schaffen, indem echte jüdische Pluralität gelebt wird.
Die Idee: Wir wollen monatlich zwei Aktive mit unterschiedlichen Meinungen zu einem Thema einladen und darüber diskutieren. Es werden jüdische, studentische und politische Themen aus dem Alltag behandelt. Das Format soll möglichst auf allen Sozialen Medien und Podcast Plattformen erhältlich sein.
„2gleich3“ ist für alle da!
Ein aktives Forum für jüdische Vielfalt.
Esti Rubins: Das ist eine Frage, von der ich mich persönlich betroffen fühle. Ich bin selber orthodox, und dazu auch noch eine Frau. Sichtbarkeit wird, was orthodoxe Frauen angeht, in der jüdischen Community, aber auch in der Gesamtgesellschaft, nicht besonders groß geschrieben. Zudem leben orthodoxe Jüdinnen und Juden als eine Art "Minderheit in der Minderheit" in einer überwiegend säkularen jüdischen Community. Ich weiß wie es ist, wenn man sich nicht repräsentiert, inkludiert und angesprochen fühlt. Die JSUD ist schon weit gekommen, was Diversität angeht, aber es gibt trotzdem noch viel zu tun. Orthodoxe Jüdinnen und Juden z.B. fühlen sich immer noch nicht zu 100% wohl bei uns, und das liegt zum Teil daran, dass es keine Policy bezüglich der Einhaltung von Kashrut gibt. Ich habe eine solche Policy eingereicht, die wir bei der Vollversammlung gemeinsam besprechen werden. Diese Policy wäre meiner Meinung nach ein guter Schritt in die richtige Richtung - für mehr Inklusion von orthodoxen Jüdinnen und Juden. Das soll aber nur der Anfang sein für eine diversere JSUD, bei der sich *alle* repräsentiert und wohl fühlen. Den nur wenn die JSUD von innen heraus divers ist, kann sie diese Diversität auch nach außen hin vermitteln.
Lisa Michajlova: Die JSUD soll einen Raum schaffen, um die eigene jüdische Identität hinterfragen zu können. Ich setze mich für mehr Kooperation mit der Bandbreite an (nicht-) jüdischen Organisationen, die wir in Deutschland und international haben, ein. Ich selbst war bei vielen Organisationen wie Lauder, Morasha, ZWST, und auch Makkabi unterwegs. Viele verschiedene Perspektiven und Menschen besitzen einen sehr differenzierten Zugang zum Judentum und ich denke durch Aktionen, die verschiedene kulturelle Aspekte des Judentums zelebrieren, erweitern wir Möglichkeit der Repräsentation und Transparenz. Zudem sollte die JSUD den Fokus der Themen und Aktionen divers gestalten, beispielsweise ein gemeinsames Feiern von Mimouna oder Aufklärung über verschiedene jüdische Bewegungen. Die JSUD sollte außerdem stärker für die Eingliederung von patrilinearen, sich als jüdisch verstehende Personen unterstützen und mit Gemeinden neue Wege der Mitgliedschaft diskutieren. Um eine tragbare Repräsentation zu gewährleisten, sollte die JSUD sich als Aufgabe geben, die Gruppen, welche weniger in traditional deutsch-jüdischen Strukturen vertreten sind, zu unterstützen und eine Stimme zu geben, falls dies erwünscht ist. Dafür soll es auch mehr Möglichkeiten geben, eigene Initiativen, Richtlinien und Anliegen an den JSUD-Vorstand heranzubringen, sodass diese gemeinschaftlich diskutiert und umgesetzt werden können.